Nachhaltig und ressourcenschonend bauen in Vietnam

Die Bauwirtschaft kann ihren hohen Anteil am Ressourcenverbrauch und an den globalen CO2-Emissionen vermindern. Das gelingt, wenn sie Baustoffe aus Pflanzen und aus recycelten Baumaterialen nutzt und später wiederverwendet. Wie das in Vietnam realisiert werden kann, untersucht das Forschungsteam des Projekts ReBuMat.

Blick von oben über vietnamesische Siedlung

Blick über eine Siedlung im Bau in Hanoi, Vietnam

Dirk Schwede

In Vietnam stellt die klimatische Vielfalt die Bauwirtschaft vor besondere Herausforderungen, denn die Baumaterialien müssen unterschiedlichsten Anforderungen genügen: Im Süden ist das Klima tropisch. Dort ist es das ganze Jahr über warm bis heiß mit einer Regenzeit von Mai bis Oktober. Im Norden hingegen ist das Klima gemäßigt tropisch. Das heißt, von November bis April ist es vergleichsweise kühl und nur von Mai bis Oktober heiß. Zudem gibt es an der Küste immer wieder Taifune mit sehr starken Regenfällen. Diese Extreme müssen zeitgemäße Neubauten in Vietnam aushalten können.

Etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung Vietnams lebt bereits in städtischen Ballungsräumen, über sechs Millionen in Ho-Chi-Minh-Stadt und über drei Millionen in Hanoi, den beiden größten Städten. Da die Landwirtschaft an Bedeutung verliert und die Wirtschaft insgesamt wächst, ziehen immer mehr Menschen in die Städte. Der Bedarf an neuen Häusern und anderen Gebäuden ist groß.

Bauweisen und Baustoffe neu denken

Darauf reagiert die Forschungsgruppe des deutsch-vietnamesischen Kooperationsprojekts ReBuMat. Ihr Ziel ist es, Baustoffe und Bauweisen für ein energieeffizientes, ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen unter den besonderen Klimabedingungen Vietnams zu erforschen und zu entwickeln. Anvisiert werden standardisierte Massenprodukte für den allgemeinen Baustoffmarkt und für das industrielle Bauen. Die neuen Gebäude und Bauteile müssen den anspruchsvollen bauphysikalischen Bedingungen im tropischen und gemäßigt tropischen Klima gerecht werden. Vor allem die hohe Luftfeuchtigkeit und Schlagregen sind dabei besondere Herausforderungen, die es bei der Planung und Entwicklung zu beachten gilt.

Die drei inhaltlichen Schwerpunkte von ReBuMat sind: Bauen mit biobasierten Stoffen, Bauen mit recycelten Materialien und kreislaufgerechtes Bauen. Alle Materialien werden an einem eigens entwickelten Teststand in Vietnam unter realen Bedingungen geprüft.

Bauen mit biobasierten Stoffen

Baustoffe aus Pflanzen haben viele Vorteile gegenüber mineralischen Baustoffen, die momentan hauptsächlich verwendet werden: Pflanzen wachsen nach, während die Grundstoffe für mineralische Baustoffe, wie Sand, Lehm oder Stein, nur begrenzt vorhanden sind. Um mineralische Baustoffe herzustellen, wird meist sehr viel Energie benötigt (zum Beispiel für das Herstellen von Zement). Die Herstellung von biobasierten Baustoffen verbraucht hingegen viel weniger Energie. Außerdem nehmen die Pflanzen beim Wachsen CO2 aus der Atmosphäre auf. Werden die Pflanzen zu Biobaustoffen verarbeitet, bleibt das CO2 auch in den späteren Gebäuden langfristig gebunden.

Allerdings sollte das für die Baustoffe verwendete Pflanzenmaterial nicht den Anbau von Pflanzen für die Ernährung von Menschen verdrängen. Nur so können Nahrungsverknappung und steigende Preise vermieden werden. Das Projekt ReBuMat setzt deshalb auf Abfälle aus der Landwirtschaft (zum Beispiel Reisstroh), auf Pflanzen von nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen (beispielsweise Schilf oder Rohrkolben aus Klärteichen oder von Überschwemmungsflächen) oder auf den schnell wachsenden Bambus.

Bauen mit recycelten Materialien

Material, das bei Abbrucharbeiten oder Umbauten anfällt, wird derzeit oft nur zum Verfüllen oder als Zuschlagstoff verwendet. Ziel der Forschungsgruppe von ReBuMat ist es, das Downcycling zu verringern. Das recycelte Material soll also qualitativ und funktional nicht minderwertiger sein, als das ursprüngliche. Deshalb werden im ReBuMat-Projekt hochwertige Recycling-Baustoffe entwickelt, die den klimatischen Anforderungen in Vietnam gewachsen sind und sich auf dem Baustoffmarkt auch durchsetzen können.

Neben der Verwertung von Beton- und Ziegelbruch, um Sand zu ersetzen, ist die Verwendung von recyceltem Glas in Form von Schaumglas vielversprechend. Fensterglas und Altglas, das nicht mehr zur Herstellung von Glasbehältern genutzt werden kann, soll zu feuchteresistenten Dämmplatten verarbeitet und vielfältig eingesetzt werden. Fensterglas fällt in großen Mengen an und kann unter anderem wegen Beschichtungen und Beimischungen nicht gleichwertig recycelt werden.

Kreislaufgerechtes Bauen

Idealerweise sollten alle verwendeten Stoffe so verbaut werden, dass sie, wenn ein Haus umgebaut oder abgerissen wird, einfach getrennt und für eine gleichwertige Verwendung genutzt werden können. Gips etwa stört beim Recycling von Bauschutt und sollte folglich nur trennbar verbaut werden. Gleichzeitig müssen die benötigten Ressourcen beim Bauen effizient eingesetzt werden. ReBuMat entwickelt Bausysteme, die all diesen Ansprüchen gerecht werden.

Erproben der Materialien am Teststand

In Ho-Chi-Minh-Stadt, im Süden des Landes, wird ein Container als sogenannter Freifeldteststand genutzt. Eine Seite des Containers ist offen, dort werden neu entwickelte Wandelemente eingesetzt und im praktischen Einsatz untersucht. Der Innenraum des Containers ist klimatisiert und die Eigenschaften der verschiedenen Wandelemente, wie die Durchlässigkeit für Wärme und Wasserdampf und die Widerstandsfähigkeit gegen Schlagregen, werden vermessen. Bei CAMaRSEC, einem weiteren deutsch-vietnamesischen Projekt, gibt es einen vergleichbaren Teststand im Norden von Vietnam. So können wertvolle Daten in beiden Klimazonen Vietnams erhoben werden.

Personen vor einen Teststand

Freifeldteststand am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Holzkirchen beim Besuch der vietnamesischen Delegation

Dirk Schwede

Die Eigenschaften der entwickelten Werkstoffe werden auf Kennwertblättern dokumentiert. Die beteiligten deutschen Institute stellen Richtlinien zu Anforderungen an Baumaterialien aus Deutschland zur Verfügung. Auf deren Grundlage können entsprechende vietnamesische Vorschriften schneller entwickelt werden.

Demonstrationsobjekte und Veröffentlichung der Ergebnisse

Das gemeinsam erarbeitete Wissen soll nicht nur in Fachzeitschriften publiziert, sondern auch in einer Datenbank auf der Projektwebsite veröffentlicht werden. Darüber hinaus werden Wandelemente aus den entwickelten Materialien als Demonstrationsobjekte für Messen und für interessierte Hochschulen zur Verfügung gestellt. Die Projektbeteiligen arbeiten zudem mit der Industrie zusammen, um geeignete Herstellerinnen und Hersteller für Materialen und Wandelemente für den Massenmarkt zu finden und so zu einer nachhaltigeren Bauwirtschaft in Vietnam beizutragen.